Warum ich Greta Thunberg hasse

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Greta Thunberg ist wie ein Kätzchen mit Tollwut. Sie vereint maximale Niedlichkeit — braune Knopfaugen, Pippi-Langstrumpf-Zopf, rundes Gesicht — mit der denkbar schlimmsten Nachricht, die es gibt: die Apokalypse naht.

Das ist ziemlich manipulativ, wenn ich das mal sagen darf.

Wenn mir ein Kätzchen mit Knopfaugen auf der Straße begegnet, zu mir aufschaut und sagt: „Miau! Guck an, wie traurig ich bin!“, dann kann ich fast nicht anders, als zu antworten: “Oh, du armes kleines Kätzchen! Wo sind denn deine Eltern? Willst du gestreichelt werden? Ach, am liebsten würde ich dich adoptieren!“

Worauf Greta die Zähne fletscht und sagt: „You have stolen my dreams and my childhood with your empty words! People are suffering, people are dying! How dare you?“

Da muss ich mich doch schlecht fühlen. 

Und dann ist sie auch noch ein Autist. Aber nicht die Sorte Autist, die ausrastet, wenn man beim Tischdecken etwas an die falsche Stelle setzt. Natürlich nicht. Greta ist ein Autist von der Sorte, die dir bei der Schulparty eine weiße Lilie schenkt, während alle anderen einen auf cool machen und sich wie Idioten verhalten. Ja, während du alleine in der Ecke hockst und melancholisch an Salzstängen knabberst und dich gerade fragst, ob es nicht gut wäre, dich mal selbst zu verletzen, kommt der Greta-Thunberg-Autist auf dich zu und sagt sowas wie: „Ich habe diese Blume draußen gesehen und fand sie sehr schön. Ihr wissenschaftlicher Name ist Liliem Candidum. Ich finde dich auch sehr schön, deswegen musste ich an dich denken, als ich diese Lilie sah. Meine Hoffnung ist, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass du mich eines Tages so sehr magst, wie ich dich mag, wenn ich dir diese Blume schenke. Also hier. Diese Blume ist für dich.“

Womit ist sagen will, dass es fast unmöglich ist, Greta Thunberg nicht zu mögen. Weswegen man sie hassen muss. Wer will schon jeden Tag von einem süßen Kätzchen zu hören bekommen, dass die Welt endet? Und dass man selbst dafür die Schuld trägt? Lässt sich das wirklich aushalten?

Großer Gott, ich stelle mir gerade vor, ich wäre mit Greta befreundet: „Hey, Greta, ich hab einen neuen Artikel geschrieben, was hältst du davon?“ 

Entire Ecosystems are collapsing! We are in the beginning of a mass extinction! And all you can write are stupid satirical pieces! How dare you?“ 

Und dann gibt es noch den Meta-Diskurs um Greta, der sich wie eine fette unangreifbare Hindu-Kuh voll in dieses Double Bind setzt: wenn ich sage, dass mir Greta Thunberg mit ihrem manipulativen Süßsein nervt, dass sie meine weiche Seite ausnützt, um Schuldgefühle in mir auszulösen, bin ich ein Mann, der Kinder mit Knopfaugen hasst. Lass ich mich aber voll auf Greta ein, muss ich das nächste Mal mit einem Elektroboot über die Atlantik fahren, wenn ich meine Verwandte in Amerika besuchen und kein schlechtes Gewissen haben will. 

So oder so werde ich mich schlecht fühlen, nicht wahr?

Greta sagte in ihrer Rede vor der UN : „If you really understood the situation and still kept on failing to act, then you would be evil. And that I refuse to believe.“

Ach Greta. Gerne hätte ich dich etwas länger von dieser Nachricht verschont, aber es geht wohl nicht anders: der Mensch ist böse. Er ist gut, aber er ist auch böse. Und er hat Angst vor dem Tod. Er bekommt Krebs und wird alt. Er muss zusehen, wie die ihm geliebten Menschen sterben. Seine Biologie wird ihn verraten. Trotzdem liebt er die Natur. Der Mensch liebt die Natur so sehr, dass er wieder in die Erde geht am Ende seines Lebens. Es stimmt, vorher wird er Tiere essen und fliegen, obwohl er keine Flügel hat. Das tut den Ökosystemen nicht immer gut. Vielleicht ist es Hybris zu glauben, wie könnten fliegen. Aber will man uns das wirklich übel nehmen? Der Mensch wird auch singen wie ein Vogel und lieben, wie nur Menschen lieben können: über den Tod hinaus. Er wird lachen und tanzen und großartige Kunst machen. Und: er wird immer auch etwas Milch und ein warmes Zuhause für kleine Kätzchen übrig haben. Auch das wird den Ökosystemen nicht immer gut tun, aber was tut denen schon gut? 

Eines kann ich dir versprechen, Greta, so böse der Mensch auch ist: ein Aufgeber ist er nicht. Auch wenn es draußen 60 Grad im Winter hat, der Mensch wird kämpfen bis zum letzten Atemzug. Und der wird kommen. Die Erde wird uns überleben. Sie wird noch in Millionen von Jahren durchs Universum gleiten, voller Ruhe und Eleganz, und zwar ganz egal, was mit uns passiert. Das mag jetzt ein schwacher Trost für dich sein, aber wenn ich ganz ehrlich bin, ich glaube, am Ende wird die Erde sagen: er war echt anstrengend, der Homo Sapiens, aber irgendwie vermisse ich ihn. Der hatte was. 

Ich mag dich Greta, echt.

 

 

 

 

Bildquelle: By European Parliament from EU – Greta Thunberg at the Parliament, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=81699733

 

3 Replies to “Warum ich Greta Thunberg hasse”

  1. Ich mag dich Julian, echt. Also natürlich nicht dich, wie auch, ich kenn dich ja nicht in echt, ich meine, ich mag, wie und was du schreibst. Sehr sogar.
    Und ich vermisse dich und deine Storys im Forum. Andererseits, ich schreib ja auch keine Storys mehr.

    Gruß aus Wien, Julian

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    1. Hallo Offshore! Habe mich wirklich sehr über deinen Kommentar gefreut! Da wird man wirklich nostalgisch nach den guten alten kg.de Zeiten. Ich hoffe dir geht es gut und wünsche dir viel Energie und Spaß für deine nächsten Geschichten! 🙂 Bis dahin!

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Daniel Tutt

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