Wie man die Welt rettet

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Gestern hörte ich einen Psychoanalytiker einen klugen Satz sagen: “Es gibt keine Zukunftsangst. Es gibt nur Vergangeheitsangst.”

Der Satz ließ mich und alle anderen im Raum einen Moment lang stutzig zurück. Er ist so zu verstehen: Wir stellen uns die Zukunft immer nur vor. Das heißt, wir projizieren immer nur etwas – unsere Erfahrungen und unsere Gefühle –  in die Zukunft. Wir sehen nur das, was bereits da ist.

Womit wir wieder beim Klimawandel wären. Nach meinem Greta-Blog bin ich nun mehrmals gefragt worden, direkt oder indirekt, was ich denn wirklich vom Klimawandel halte. Mehr noch, was man denn meiner Meinung nach tun sollte, um die “Welt zu retten”.

Dazu möchte ich erstmal sagen, dass ich mich häufig freue, wenn der Tag gut läuft. Und wenn es den Menschen, die mir nahe stehen, gut geht. Ich versuche ehrlich und mutig die Wahrheit zu sagen, bei meinem Job und in Beziehungen. Das ist schwer und verlangt mir vieles ab. Ich finde aber schon, dass sich das lohnt. Ich finde sogar, dass es die Welt ein klein wenig bessert macht.

Dennoch steht “die Welt retten” normalerweise nicht auf meiner Tagesagenda.

Aber gut. Wenn schon meine persönliche Meinung zum Klimawandel gefragt ist, dann hier meine persönliche Meinung: Meistens misstraue ich Menschen, die mir die Zukunft vorhersagen wollen. Ich glaube nicht, dass der Homo Sapiens vom Aussterben bedroht ist. Oder dass wir unbedingt den Kommunismus einführen müssen, um … (Zwinker, Zwinker) … den Klimawandel aufzuhalten. Oder wie Bernd Ulrich jüngst in der Zeit suggeriert hat, dass wir vor der schrecklichen Wahl stehen: “demokratisch in den Untergang oder autokratisch (vielleicht) die Welt retten.”

Ich sehe vieles kritisch, was in den Medien geschrieben wird. Aber wenn Wissenschaftler sagen, dass es Sinn macht, C02 einzusparen, dann glaube ich das. Ich glaube der Wissenschaft. Was nicht heißt, wie Jonathan Franzen im New Yorker schrieb, dass man alle Ressourcen in die Reduktion von C02 stecken sollte. Ich finde es gut, wenn man in neue Technologien investiert, wenn man forscht, wenn man sich Problemen stellt, wenn man mit gutem Beispiel vorangeht, wenn man C02 reduziert.

Ich finde es auch gut, dass Elon Musk zum Mars fliegen will.

Überhaupt finde ich es gut, wenn man eine annehmende Haltung entwickelt, was die Zukunft angeht.

In diesem Zusammenhang werde ich den Verdacht nicht los, rein psychologisch betrachtet, dass die Angst Gretas und ihresgleichen vor dem berüchtigten“Tipping Point” — wird ein bestimmtes Maß an Erwärmung erreicht, gibt es kein Zurück mehr, dynamische Prozesse kommen in Gang und alles gerät außer Kontrolle — Ausdruck ihrer Angst vor Veränderung ist.

Ich kann das verstehen, weil ich bis zu einem Grad auch Angst vor Veränderung habe. Ich gehe davon aus, dass sich am Horizont gerade Stürme zusammenbrauen. Gar nicht unbedingt, weil der Klimawandel kommt, sondern weil der Wandel kommt.

Veränderung ist eine Konstante. Die Welt ist ein dynamischer, gefährlicher Ort, und wir sind verletzliche, kleine Menschen. Den Prozess des Lebens sollten wir aktiv gestalten, denn wenn wir nichts tun, werden die Dinge schlimmer. Chaos dürfte der “Normalzustand” sein: am Arbeitsplatz, in der Beziehung, und in jeder Demokratie.

In diesem Zusammenhang vermute ich, dass Menschen wie Greta unterschätzen, wie schwierig das Leben eines durchschnittlichen Erdbürgers ist. Und wie viel er leistet. Wie viel Kraft der Mensch jeden Tag aufbringt – in Fabriken, in Krankenhäusern, im Büro, auf der Straße – damit Wasser und Strom fließen. Und damit er nicht gefressen wird.

Die meisten Menschen würde gerne Tiger retten (ich auch), sind aber sehr froh, wenn sie Tiger nicht im Wald begegnen müssen. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken. Vielleicht klammern wir die Zähne des Tigers aus und damit eine Hälfte der Gleichung Mensch. Wir waren der Natur nämlich schon immer ausgeliefert. Und sind es noch immer. Das vergisst man gerne, aber: wenn dich der Tiger nicht frisst, macht es am Ende eben der Tumor.

Ich will auf Folgendes hinaus: Es war vielleicht Hybris zu glauben, das wir uns der Erde Untertan machen konnten. Aber dem Menschen sollte man immerhin zugestehen, dass die Natur seit jeher nach seinem Leben trachtet.

Und noch was: ist es vielleicht nicht auch ein wenig Hybris zu denken, man könne den Klimawandel aufhalten? Ist das wirklich der berüchtigte “Einklang” mit der Natur, von der alle sprechen? Geht man so mit ihr um? Vielleicht klingt das hart, aber für meinen Geschmack würden Begriffe wie gestalten, anpassen oder vorbereiten deutlich besser passen, sie würden der Dynamik, die auf uns zukommt, eher gerecht werden. Sie würden suggerieren, dass wir verstanden haben, dass wir es mit einem Prozess zu tun haben. Wer vom stoppen oder aufhalten spricht, hat das Wesen der Zukunft nicht so recht kapiert.

Es gibt auch gute Nachrichten: wie Hans Rosling in Factfulness schön darstellt, gibt es global gesehen aktuell deutlich weniger Kriege, weniger Armut, weniger Krankheiten und mehr Bildung für Jungs und Mädchen auf der ganzen Welt als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.

Das heißt nicht unbedingt, dass alles so bleibt oder gar besser werden wird. Aber es heißt schon, dass es Grund zur Hoffnung gibt. Ein bisschen was kann der Mensch eben doch.

Ich finde, dass man ehrlich und mutig in die Zukunft schreiten sollte. Nicht, weil das eine Garantie gegen Unheil oder Korruption wäre, sondern weil das unsere beste Strategie im Kampf gegen Unheil und Korruption ist. Der Wandel wird kommen, weil er das immer tut. Wir sollten wachsam sein und voranschreiten. Das Abenteuer Mensch bleibt spannend.

Wer weiß, vielleicht wird es am Ende schöner als man denkt.

Das ist meine Projektion.

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Daniel Tutt

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